Berufliche Schweigepflicht

Meine Eltern dürfen nichts von der Abtreibung erfahren

Minderjährige aber auch junge Frauen über 18 Jahre müssen Schwangerschaftsabbrüche gegenüber ihren Eltern oft verheimlichen. Die Gründe hierfür sind meist ohne weiteres verständlich. Zwang oder gar Gewalt bedroht nicht nur junge Frauen mit Migrationshintergrund. Noch bei den Eltern wohnende junge Frauen geraten unter Druck in dieser schwierigen Situation, welche ihre ganze Zukunft bzw. ihre Gesundheit unmittelbar gefährden kann.

Wer entscheidet über das Patientengeheimnis?

Für die betroffenen jungen Frauen ist es in solchen Situationen essenziell, dass sie sich darauf verlassen können, dass die im Rahmen des Arzt-Patienten-Verhältnisses anvertrauten Geheimnisse gewahrt werden. Das Patientengeheimnis ist ein wichtiges Rechtsgut, welches zum Schutz von Gesundheit und grundlegender Selbstbestimmung notwendig ist und stellt eine wesentliche Grundlage des Vertrauensverhältnisses zwischen Arzt und Patient dar. Jede Patientin entscheidet selber, wer von der Abtreibung erfährt. In einer Arztpraxis mit einer einer begrenzten Anzahl Mitarbeitenden ist dieses Geheimnis einfacher zu bewahren als an einer grossen Institution, bsp. am Spital, mit vielen Mitarbeitenden.

Werden Informationen an die Eltern weitergegeben? Kann ich der Ärztin vertrauen?

Sowohl Ärzte als auch Krankenkassen bzw. deren Angestellte unterstehen einer umfangreichen gesetzlichen Schweigepflicht, bei deren Verletzung schwerwiegende Konsequenzen drohen. Art. 321 des Schweizerischen Strafgesetzbuches (StGB) regelt die berufliche Schweigepflicht und schützt sämtliche Daten und Informationen, welche eine ärztliche Fachperson bei der Behandlung einer Patientin erfährt, indem Verstösse dagegen mit Freiheits- oder Geldstrafe bedroht werden. Angestellte von Krankenkassen unterstehen ebenfalls der Schweigepflicht, welche in Art. 33 des Allgemeinen Teils des Sozialversicherungsrechts (ATSG) geregelt ist.

Gilt die Schweigepflicht auch bei Minderjährigen?

Ja, auch Minderjährige sind vollumfänglich geschützt. Jede Patientin ist selber Inhaberin ihrer Daten und selber verantwortlich, wer Einsicht erhält. Auch im Falle von Minderjährigkeit kann die Patientin den vollumfänglichen Schutz durch die oben genannten gesetzlichen Bestimmungen für sich beanspruchen. Die betroffene Patientin ist direkt durch die entsprechenden Gesetzesbestimmungen geschützt und diese Rechte können ihr gegen ihren Willen auch nicht im Rahmen einer vertraglichen Vereinbarung entzogen werden.

Wie ist die Situation, wenn die Eltern die Krankenkasse bezahlen?

Die Schweigepflicht gilt umfassend, es spielt also keine Rolle, wenn beispielsweise die Krankenkassenprämien nicht durch die minderjährige Patientin selber, sondern durch ihre Eltern bezahlt wurden. Auch im Rahmen der Rückerstattung müssen die erwähnten Schweigepflichten von der Krankenkasse uneingeschränkt eingehalten werden. Eine Ausnahme besteht, wenn die ausdrückliche Einwilligung der Patientin vorliegt. Die Krankenkasse darf also den Eltern beispielsweise erst Auskunft erteilen über eine Behandlung, wenn eine mündliche oder schriftliche Zustimmung seitens der Patientin vorliegt. Zu beachten ist überdies, dass bereits die Tatsache, dass ein Behandlungsverhältnis zwischen Arzt und Patientin besteht, Teil der Schweigepflicht ist. Wenn die Schweigepflicht sehr eng ausgelegt wird, darf die Ärztin bei einer Anfrage der Eltern auch keine Auskunft geben, ob die Patientin je bei ihr in Behandlung war oder nicht.

Rückvergütung durch die Krankenkasse

Wo im Gesetz steht, dass es eine Rückvergütungspflicht gibt?

Die rechtlichen Grundlagen für die Rückvergütung finden sich im Bundesgesetz über die Krankenversicherung (KVG) sowie im Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG).

Das Krankenversicherungsgesetz stellt die Sicherstellung der Behandlung von Minderjährigen unter besonderen Schutz. Für Kinder und junge Erwachsene müssen die Prämien tiefer sein als für Erwachsene (Art. 61 Abs. 3 KVG). Das allgemeine Versicherungsobligatorium (Art. 3 Abs. 1 KVG) zielt ebenfalls darauf die Behandlung in jedem Fall zu gewährleisten.

Obwohl der Krankenversicherungsvertrag bei jungen Frauen oft mit den Eltern abgeschlossen wurde, sichert die Rückerstattungspflicht für definierte ärztliche Leistungen nicht nur materielle Rechte der Eltern, sondern in erster Linie die notwendigen Behandlungen. Ein Krankenversicherungsvertrag entspricht in seinem Zweck nicht nur der Versicherung eines materiellen Gutes, sondern stellt die Gesundheit der Versicherten in darüber hinaus gehender Weise sicher.

Wie kann die Rückzahlungsgarantie der Eltern auf die Minderjährigen übertragen werden?

Für den Fall, dass der Versicherungsvertrag für die versicherte minderjährige Patientin zwischen ihren Eltern und der Krankenversicherung abgeschlossen worden ist, besteht die Rückerstattungspflicht von bezahlten Leistungen grundsätzlich zwischen der Krankenversicherung und den Eltern. Aufgrund der oben erwähnten Schweigepflichten hat die versicherte minderjährige Patientin jedoch ein Recht darauf, dass die vorgenommene medizinische Behandlung auch gegenüber den Eltern verschwiegen wird. Dies hat die Krankenkasse bei der Abwicklung der Rückerstattung zu berücksichtigen.

Wie kann eine Minderjährige bei einer Abtreibung vorgehen?

Im speziellen Fall eines Schwangerschaftsabbruches, bei dem die minderjährige Patientin die Behandlung selber bezahlt, dürfte dies in der Praxis nur möglich sein, wenn eine Rückerstattung der Krankenversicherung direkt an die bezahlende minderjährige Patientin vorgenommen und die Abrechnung über die erbrachten Krankenkassen-Leistungen an eine von der Patientin gewünschte Adresse zugestellt wird.

Anwendbare Gesetzesbestimmungen

Art. 321 StGB – Verletzung des Berufsgeheimnisses

1. Geistliche, Rechtsanwälte, Verteidiger, Notare, Patentanwälte, nach Obligationenrecht1 zur Verschwiegenheit verpflichtete Revisoren, Ärzte, Zahnärzte, Chiropraktoren, Apotheker, Hebammen, Psychologen, Pflegefachpersonen, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Ernährungsberater, Optometristen, Osteopathen sowie ihre Hilfspersonen, die ein Geheimnis offenbaren, das ihnen infolge ihres Berufes anvertraut worden ist oder das sie in dessen Ausübung wahrgenommen haben, werden, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.

Ebenso werden Studierende bestraft, die ein Geheimnis offenbaren, das sie bei ihrem Studium wahrnehmen.

Die Verletzung des Berufsgeheimnisses ist auch nach Beendigung der Berufsausübung oder der Studien strafbar.

2. Der Täter ist nicht strafbar, wenn er das Geheimnis auf Grund einer Einwilligung des Berechtigten oder einer auf Gesuch des Täters erteilten schriftlichen Bewilligung der vorgesetzten Behörde oder Aufsichtsbehörde offenbart hat.

3. Vorbehalten bleiben die eidgenössischen und kantonalen Bestimmungen über die Melde- und Mitwirkungsrechte, über die Zeugnispflicht und über die Auskunftspflicht gegenüber einer Behörde.

Art. 33 ATSG – Schweigepflicht

Personen, die an der Durchführung sowie der Kontrolle oder der Beaufsichtigung der Durchführung der Sozialversicherungsgesetze beteiligt sind, haben gegenüber Dritten Verschwiegenheit zu bewahren.

Art. 19 ZGB – A. Persönlichkeit im Allgemeinen / III. Handlungsunfähigkeit / 3. Urteilsfähige handlungsunfähige Personen /

a. Grundsatz

3. Urteilsfähige handlungsunfähige Personen

a. Grundsatz

1 Urteilsfähige handlungsunfähige Personen können nur mit Zustimmung ihres gesetzlichen Vertreters Verpflichtungen eingehen oder Rechte aufgeben.

2 Ohne diese Zustimmung vermögen sie Vorteile zu erlangen, die unentgeltlich sind, sowie geringfügige Angelegenheiten des täglichen Lebens zu besorgen.

3 Sie werden aus unerlaubten Handlungen schadenersatzpflichtig.

Art. 19c ZGB – A. Persönlichkeit im Allgemeinen / III. Handlungsunfähigkeit / 4. Höchstpersönliche Rechte

4. Höchstpersönliche Rechte

1 Urteilsfähige handlungsunfähige Personen üben die Rechte, die ihnen um ihrer Persönlichkeit willen zustehen, selbstständig aus; vorbehalten bleiben Fälle, in welchen das Gesetz die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters vorsieht.

2 Für urteilsunfähige Personen handelt der gesetzliche Vertreter, sofern nicht ein Recht so eng mit der Persönlichkeit verbunden ist, dass jede Vertretung ausgeschlossen ist.

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